Farben sind in unserem Leben fast überall und für uns alle
selbstverständlich. Zufriedenstellende Erklärungen, wie
Farben zustande kommen, gibt es aber erst seit Mitte des 19.
Jahrhunderts, und es dauert bis ins 20. Jahrhundert, bis man die
fundamentalen Regeln des Farbensehens verstanden hatte. Die
grundlegendste Änderung war, dass Farben keine Eigenschaften
der Partikel sind, sondern, dass unser Gehirn sie erzeugt. Also
gaukelt unser Gehirn eine farbige Welt vor, welche in
Wirklichkeit farblos ist. Desillusionierend mag man denken.
Vergleicht man beide Vorstellungen miteinander, fängt die neue
Ansicht aber an, immer eindrucksvoller zu werden.
Farbtheorien hatte es vorher schon etliche gegeben, wie zum
Beispiel die von Itten, Runge oder die von Goethe. Die Farbtheorie
der
CIE (
CIE ist die Abkürzung für Commission
Internationale de l'Éclairage) ist die erste Farbtheorie der
Welt, welche:
1. die Systematik der Farbe mit den optischen Gesetzen der
Physik verbindet,
2. den Farbraum komplett beschreibt,
3. jeder Farbe einen genauen mathematischen Wert zuordnet
und
4. ohne Referenz auf ein Farbmuster auskommt.
Dies lässt schnell erahnen, warum die CIE-Farbtheorie so
einflussreich war und immer noch ist. Um zu verstehen, warum das
CIE-Diagramm so eine eigenartige Form hat und warum es flächig
ist, obwohl der Farbraum dreidimensional ist, muss man die
Vorgehensweise der CIE verstehen. Leider ist dies nicht in ein
bis zwei Sätzen darzustellen. Die früheren Farbtheorien
waren meist von Künstlern oder Theoretikern aufgestellt
worden. Die CIE fing aber mit Vermessungen an. Betrachten wir
also den Versuchsaufbau der CIE: Es wurde eine Gruppe von
Testpersonen eingeladen. Diese nahmen an den Versuchen teil.
Die Ergebnisse wurden dann gemittelt.
Das Ergebnis ergab dann den Durchschnittsbetrachter. Die
Versuchsperson hat einen Abstand von circa 80 cm von einem
weißen Papierkreis (circa 3 cm) vor sich. Dieser ist an der
Mittellinie geknickt. Es wird nun nacheinander farbig
beleuchtet. Die obere Hälfte des Papiers ist dann farbig, die
andere Hälfte ist noch weiß. Die Versuchsperson hat nun drei
Strahler vor sich, die sich mit Reglern regulieren lassen. Die
Strahler sind derart, dass ihr Wellenbereich jeweils einen
Zapfentyp reizt. Platt gesagt: blau, grün, rot. Die
Versuchsperson soll nun die nacheinander vorgegebenen
Farben mit den drei Reglern nachzumischen. Die Strahler
beleuchten nur die noch leere Fläche des Papiers. Dann wird der
Wert notiert, zum Beispiel sowas wie 67-56-14. So weit, so gut. Aber
dann kam die Überraschung. Wurden Spektralfarben vorgegeben,
dann war dies nicht mit den drei Reglern zu ermischen. Was nun?
Also modifizierten die Leute der CIE den Aufbau. Sie
installierten auf der Vorgabeseite (Lichtstrahler oben) neben
der Quelle mit der Spektralfarbe einen zusätzlichen Strahler
und passten dies dem Ergebnis der Testperson an. Man kann dies so
umschreiben: Wenn der Prophet nicht zum Berge kommt, dann kommt der
Berg zum Propheten. Nachdem die Spektralfarben so vermessen
waren, hatte man viele Zahlentripel mit negativen Werten. Die
CIE dachte sofort an die späteren Anwender und dachte: Warum
mit negativen Werten arbeiten, wenn es auch ohne geht? Sie
verschoben die Werte in den positiven Zahlenbereich. Dies
führte zu der bekannten Form und seiner Stellung im
Koordinatensystem. Die gebogene Außenlinie nennt man den
Spektralfarbenzug. Warum ist dann die untere Seite
gerade? Magenta ist keine Spektralfarbe und kommt deshalb auch
nicht im Regenbogen vor. Sie wird oft als Purpurgerade
bezeichnet. Stellt man die Regler alle auf ein Drittel, dann
erhält man einen Weißton. Isaac Newton fand mit seinen
Prismenversuchen heraus: Weiß lässt sich in Farben zerlegen.
So haben wir den Weißpunkt in diesem Diagramm.
Bleibt noch die Frage: Warum ist das Diagramm nicht räumlich? Hier
sieht man das Vorgehen der CIE, es ist empirisch-mathematisch.
Warum mehr Werte als nötig? Der Farbraum ist natürlich in der
CIE-Farbtheorie beschrieben. Wenn man ihn räumlich darstellt,
erhält man eine Form, welche einer Eiswaffel ähnelt, bei der
eine Seite eben ist. Lässt man die Intensität außer Acht, können
die Werte auf einer Ebene dargestellt werden. Alle drei Werte
ergeben auf dieser Ebene den Wert 1. Projiziert man diese Ebene
auf die Grundfläche des Koordinatensystems, erhält man die
zweidimensionale Darstellung. Der Farbwert für Blau wird
dabei meistens nicht mit angegeben. Wenn
R + G + B zusammen den Wert 1 ergeben, dann
kann man ihn errechnen: 1 − R − G = B.
Die CIE-Theorie wurde später modifiziert. Einerseits wurde
bemängelt, dass sie in dem Versuchsaufbau nicht
wissenschaftlich hinreichend genau gewesen war. Weiterhin
wurde der biologische Aufbau des Auges nicht genügend genau
berücksichtigt. Künstler, Architekten, Drucker bemängelten,
dass die CIE-Farbtheorie für ihre Arbeit praktisch nicht zu
gebrauchen sei.
Die CIE-Theorie von 1964 berücksichtigte die technischen,
biologischen Fragen. Das CIE-Lab-System von 1976 berücksichtigt
die Einwände der Künstler, Architekten und Drucker.
Die CIE nahm dazu die vorhandene Theorie und formte sie mit
einem mathematischen Modell so um, dass gefühlsmäßig gleiche
Farb-Abstände entstehen. Das Umrechnen ist als alles andere
als einfach zu bezeichnen. Die heutigen Annahmen sagen, dass
das Farbensehen sich in der Evolution entwickelt hat, weil es
für die Lebewesen Vorteile fürs Überleben schaffte. Da spielen
Fragen, ob dies gut und einfach umzurechnen ist, keine Rolle.
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